Blockchain für den Fall des Todes! Das Startup Eternitas möchte über die Blockchain vereinfachen, wie Testamente vollstreckt werden. Die Nachlassverwaltung soll schneller, sicherer und günstiger werden. Im Interview gibt Milosz Matuschek, CEO und Founder von Eternitas, ganz spannende Einsichten in das Blockchain Testament Startup und die Blockchain im Allgemeinen.
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Milosz Matuschek, magst du dich kurz den Lesern vorstellen?
Ich bin Milosz Matuschek, Jurist mit Spezialisierung im Bereich IP/IT. Nach mehrjähriger Lehr- und Forschungstätigkeit an der Pariser Sorbonne habe ich Mitte 2017 Eternitas.io gegründet.
Was ist / macht Eternitas.io genau im Bereich Blockchain Testament?
Mit Eternitas wollen wir die Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung radikal vereinfachen und zudem schneller, sicherer und kostengünstiger machen.
Das Problem, an dem wir arbeiten existiert, seit es Testamente gibt: wenn Sie sterben, können sie die Vermögensgegenstände nicht mehr selbst übertragen und sind auf Dritte angewiesen – den Testamentsvollstrecker – sofern sie diese Tätigkeit nicht den Erben selbst überlassen wollen. Doch die Garantie, dass auch wirklich der letzte Wille befolgt wird, besteht nicht.
Bei unserer Lösung wird jeder Testamentsersteller auch sein eigener Testamentsvollstrecker. Wir bieten also Kontrolle über das Vermögen über den Tod hinaus. Deshalb auch unser Slogan: „Code is life“.
Was macht euch einzigartig, gerade im Vergleich zu Wettbewerbern?
Wir wollen das Thema Nachlassverwaltung auf eine völlig neue Grundlage stellen und an die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts anpassen.
Der Trend geht ja in allen Branchen zum Do-it-yourself: Wir sehen das im Finanzbereich mit Roboadvisors, aber im Online-Banking schon länger. Bei unserer Lösung soll jeder selbst ein rechtsgültiges Testament erstellen können (mittels rechtlich geprüfter Templates, Tipps zur Streitvermeidung und steuerlicher Optimierung), dieses Testament dann sicher und auffindbar lagern und schließlich selbst mittels Smart contracts vollstrecken können.
Statt Anwalt, Notar oder bestem Freund hilft ein dezentrales Netzwerk. Für unseren Use Case sind wir in Europa unter den ersten Start-ups im Bereich Legal Tech & Blockchain.
Was war der Grund, Eternitas.io zu gründen / was ist eure Vision?
Auf die Idee kam ich über meinen Vater, der als Rechtsanwalt auch Testamentsvollstreckungen anbietet. Der Use Case schien mir als Anwendungsbereich für die Blockchain ideal.
Weiter inspiriert hat mich der Fall der Testamentsvollstreckung von Axel Springer, bei dem vermutlich vieles schief gelaufen ist – u.a. wegen der überproportional starken Machtfülle des Testamentsvollstreckers, die nicht mehr zeitgemäß ist.
Statt selbst ein Gatekeeper zu werden, will ich lieber beitragen, deren Einfluss dort zu reduzieren wo es Sinn macht. Ich kann mir auch schlicht nicht vorstellen, dass eine Generation, die alles am Smartphone erledigt, bei Testamenten quasi auf den analogen Weg in holzgetäfelte Notarbüros angewiesen ist.
Die Marktvolumina in diesem Bereich sind natürlich auch interessant, allein in Deutschland werden etwa 300 Mrd. Euro vererbt – jedes Jahr.
Wie, glaubst du, wird die Blockchain Technologie die Zukunft verändern?
Die Blockchain ist eine Strukturtechnologie, also wird sie Strukturen und die Art, wie heute Transaktionen geschehen, grundsätzlich verändern. Die letzte Innovation der Buchführung hatten wir in der Renaissance, als die doppelte Buchführung eingeführt wurde; jetzt haben wir mit der Blockchain eine Art dreifache Buchführung.
Derartige Technologiesprünge sind extrem selten, wenn man in die Geschichte schaut. Der rechtliche Bereich ist, was neue Technologien angeht, traditionell zaghaft, insofern gibt es hier noch einige Schätze zu heben.
Mal ein einfaches Beispiel, wo ich u.a. das Potential im rechtlichen Bereich sehe: wenn Sie heute jemandem Ihr Fahrrad verkaufen, es aber noch nicht übergeben, können sie das gleiche Fahrrad morgen einer anderen Person übereignen.
Derartige Transaktionen – vorausgesetzt sie finden virtuell mit tokenisierten Gegenständen statt – lassen sich auf Smart Contracts programmatisch blockieren, mit einem gewaltigen Mehrwert an Rechtssicherheit.
Blockchain revolutioniert das Problem des „Vertrauens“ und wird Rechtsgeschichte schreiben, daran habe ich keinen Zweifel. Es arbeiten auch schon einige Firmen an derartigen Lösungen, wo auch die Schiedsgerichtsbarkeit im Konfliktfall gleich mit auf der Blockchain gelöst wird – und damit auch rechtliche Gültigkeit erlangen kann. Ein echtes Entstaubungsprogramm für das dröge Fach Jura.
Insofern ist es ein großes Versäumnis, dass derartige Inhalte an Universitäten kaum Platz haben, obwohl bereits ein gewisses Umdenken eingesetzt hat. Wenn wir derartige Lösungen nicht bauen, werden es die Koreaner oder Chinesen tun.
Den meisten ist nicht klar, dass wir uns am aktuellen Punkt im Bereich Blockchain (wie quasi bei allen globalen digitalen Lösungen) in einem Wettrennen mit der Welt um die besten Ideen befinden.
Deutsche Juristen, die für ihre Gründlichkeit und wissenschaftliche Herangehensweise einen sehr guten Ruf in der Welt genießen, sollten bei der Digitalisierung des Rechtswesens eine gewichtige Rolle spielen. Viele haben aber die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt.
Was würdest du jemandem empfehlen, der an der Technologie interessiert ist und sich Skills aufbauen möchte?
Zum Thema Skills: Die Welt der Blockchain setzt derzeit noch eine Art Initiationsreise voraus, die mitunter ein paar Monate dauern kann.
Es gibt viele gute Youtube Videos, Blogs und Bücher, leider ist vieles für den Laien aber erst mal nicht verständlich.
Deshalb habe ich mit Philipp Mattheis einen Ratgeber für Newbies geschrieben („Kryptopia, Nicolai Publishing & Intelligence“*), der soeben erschienen ist und einen ersten Einstieg bietet, mit vielen weiterführenden Links und Hinweisen.
Ich selbst bin kein Techie, programmiere nicht und habe vor 2 Jahren sogar mein iPhone entsorgt; ich beklatsche auch nicht blind jede technische Neuerung.
Aber die Blockchain hat mich gepackt und nie wieder losgelassen. Insofern sei jedem geraten, im Internet zu suchen, sich Bücher, Blogs und Podcasts besorgen und zu Meet-ups zu gehen.
Es war nie leichter, sich zu informieren, als jetzt. Und hinzukommt, dass die meisten Menschen, die ich bisher in dieser Industrie kennenlernen durfte, ausgesprochen hilfsbereit sind und den Ansatz „sharing is caring“ teilen.
Welche Hindernisse hattet ihr mit eurem Unternehmen bisher und wie habt ihr sie überwunden?
Blockchain ist ein Konvergenzthema: Hier treffen u.a. Computerwissenschaften, Kryptographie, Spieltheorie, Verhaltensökonomie, Makroökonomie zusammen und dazu kommen dann noch die oft spezialisierten Geschäftsfelder, für die man extra Wissen braucht.
Wir brauchen ganz neu ausgebildete Menschen: Neugierige Generalisten mit Spezialwissen in bestimmten Bereichen. Im Rechtsbereich entsteht gerade ein neues Berufsbild, das des „Legal Engineer“, das sind Juristen, die auch programmieren können.
Solche Leute sind in der Regel schwer zu finden, umso erfreulicher ist es, dass wir bei Eternitas inzwischen ein Team zusammenstellen konnten, das quasi ideal komplementär ist. Doch auch das hat eine gute Weile gedauert.
Man braucht schon ganz schön Brainpower für ein Blockchain-Start-up, sonst dilettiert man nur vor sich hin. Nach meinem CTO habe ich ein gutes Jahr gesucht. Am Ende braucht man Leute, die in allem ein bisschen drin sind: ein CTO muss auch einen Sinn für Marketing haben, ein Business Developer braucht auch technologisches Verständnis, ebenso wie der Verantwortliche für Marketing.
Und dann sollten sich alle auch noch menschlich verstehen – kein leichtes Unterfangen!
Das schönste an der Start-up Gründung war für mich bisher, genau mit solchen Menschen zusammenarbeiten zu dürfen und das in einer begeisternden Stimmung mit viel Esprit.
Ein Start-up ist in etwa so wie eine gut harmonierende Band: da braucht es jüngere mit Energie, ältere mit Erfahrung und eine gewisse Buntheit der Lebensläufe und Ansätze.
Unser COO/CFO hat mal ein Geschäft für Kakao-Bohnen und eine Gin-Marke hochgezogen, wir haben u.a. Juristen, Developer, Futuristen, Historiker, Trader, Forscher und einen Agraringenieur an Bord.
Die richtige Mischung ist das Salz in der Suppe jeder funktionierenden Organisation, gerade auch in unserem Sektor.
Milosz Matuschek, worum handelt es sich in eurem neuen Buch „Kryptopia“ ?
„Kryptopia“* ist eine Art Reisebericht von zwei Gelegenheitsinvestoren (die Autoren), die über den Bitcoin-Hype des letzten Jahres den Zugang zu einer faszinierenden Technologie gefunden haben.
Wir beschreiben ausgehend vom emotionalen Auf-und-ab des letzten Jahres, warum die Blockchain gekommen ist, um zu bleiben und streifen u.a. die Themen: Geldsystem, Reale Anwendungsfälle, das Potential zur gesellschaftlichen Veränderung, die philosophisch-spirituelle Seite dieses Feldes.
Ich denke, man kommt als Newbie gut rein. Ich denke es ist wichtig, Blockchain nicht nur auf Technologie zu reduzieren, hier schwingt auch ein bestimmtes Mindset und eine Haltung mit: Kontrolle zurückgewinnen, Monopolisten entmachten, kollaboratives Arbeiten, Sicherheit und Schutz der Daten.
Was sind eure Pläne für die nächsten 3 Jahre?
Wir arbeiten derzeit intensiv am ersten Produkt. Mit welchem wir genau starten, verraten wir derzeit noch nicht, aber wir wollen im Frühjahr 2019 auf den Markt gehen und von Beginn an Umsätze generieren.
Eine gerade laufende erste Finanzierungsrunde soll die Fertigung des ersten Produkts ermöglichen. In drei Jahren wollen wir mit unserem kompletten Produktportfolio präsent sein und uns ganz der Skalierung widmen.
Das Ziel muss die globale Marktführerschaft in einem Sektor sein, der bisher rein lokal war. Ein ambitioniertes Ziel.
Wie kann man als neuer User eure Anwendung nutzen?
Derzeit noch gar nicht, aber wir freuen uns, wenn Interessierte mit uns in Kontakt treten und unsere Entwicklung zum Beispiel über unseren Telegram-Channel verfolgen (mittlerweile nicht mehr verfügbar); diese werden die ersten sein, die unsere Prototypen und MVPs zu Gesicht bekommen.
Wir wollen Produkte für die Community bauen und wollen deshalb schon jetzt ganz genau wissen, was gewünscht ist, und nicht erst später.
„Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen“, heißt es so schön und ich denke, es braucht auch eine Art globales Dorf, um ein schönes Start-up aufzubauen.
Insofern freuen wir uns über ein wachsendes Netzwerk rund um einen Use Case, mit dem jeder Mensch einmal konfrontiert sein wird.
Vielen Dank dir, Milosz Matuschek, für das mega interessante und aufschlussreiche Interview!
Buch „Kryptopia“: https://amzn.to/2PApDKu *
Meine Buchrezension: Buch Kryptopia
Eternitas Website: https://www.eternitas.io/
Milosz Matuschek: http://www.miloszmatuschek.de
Mein Name ist Dennis Streichert. Als IT-Berater bei einem Softwareunternehmen bin ich sehr neugierig in Bezug auf Innovationen in der Informatik und benachbarten Bereichen. Es ist einfach spannend zu sehen, wie schnell Neuheiten auf den Markt kommen und welche Potenziale sich daraus ergeben.
Mein Wunsch ist es, unsere Kunden mithilfe der IT zu größerem Erfolg zu führen.
Dieser Blog hat zum Ziel, tiefes und breites Wissen rund um das Thema Blockchain zu vermitteln. Dies ist eine absolut faszinierende Technologie, weshalb ich gerne mehr darüber lernen möchte und Wissen dazu preisgeben